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Aufsuchende Kulturarbeit

– Nachruf auf Christine Crecelius

Am 15. Juli 2024 ist Christine Crecelius verstorben. Sie hat von 1990 bis 2009 die Dezentrale Kulturarbeit zunächst in Schöneberg und dann im neu entstandenen Bezirk Tempelhof-Schöneberg geleitet.

Schon vor 2001, dem Jahr der der Zusammenlegung der Bezirke Tempelhof und Schöneberg, waren Vertreter des Kulturbereichs aus Tempelhof probeweise (zunächst ohne Stimmrecht) in den schon bestehenden Schöneberger Kulturbeirat „zum Üben“ gewählt worden, ich konnte damals dabei sein.

Verantwortlich für den dann „Tempelhof-Schöneberger Kulturbeirat“ war Christine Crecelius, die im Bezirksamt die dezentrale Kulturarbeit leitete – eine Frau, die sich in der Schöneberger Kulturszene und bei ihren Akteuren auskannte wie keine andere und engagiert und kämpferisch für die bezirkliche Kultur eingetreten ist.

Ab 1990 hat sie in Schöneberg die Strukturen der neu gegründeten Abteilung aufgebaut den gewählten Kulturbeirat geprägt. Schnell bekam sie auch die Übersicht über die sehr überschaubaren kulturellen Einrichtungen Tempelhofs, denn wir starteten aus dem, was früher „Tempelhofer Kulturwüste“ tituliert wurde, kein Kino, keine Galerie, aufgrund der Wohnstruktur auch wenige Ateliers und damit vergleichsweise wenige bildende Künstlerinnen und Künstler. Und Probenräume im Rathaus, wie diejenigen, über die Christine im Schöneberger Rathaus verfügen durfte, kein Gedanke!

Viele Jahre bis zu ihrer Verrentung und turnusgemäßen Ablösung durch ihre Nachfolgerin Ute Knarr-Herringer hatte ich dann Gelegenheit, Christine bei ihrer Arbeit zu beobachten. Um die Fördermittelvergabe für freie Gruppen im nun gemeinsamen Bezirk zu organisieren, mussten sich die Künstler aus Musik, Tanz, Theater und Performance, Literatur, Bildender Kunst, Foto, Video und Film auf die vorgeschriebenen bürokratischen Antragsverfahren einlassen, bei denen Christine mit Engelsgeduld Unterstützung leistete.

Dabei kam ihr die personelle und institutionelle Vertrautheit mit der Szene zugute, was man anerkennend als „aufsuchende Kulturarbeit“ bezeichnen kann, die bei ihr von Empathie und Engagement begleitet wurde. Das galt besonders auch für das in ihrem Zuständigkeitsbereich liegende Kulturhaus Schöneberg, die Künstlerauswahl für das neu gegründete Haus und die finanzielle Ertüchtigung der ehemaligen Backsteingrundschule mit ihren Ateliers und Institutionen.

Bei den dort von Christine Crecelius ins Leben gerufenen jährlichen Sommerfesten mit offenen Ateliers konnten sich die Bürger von der Kreativität dieser Künstlergemeinschaft überzeugen.

Christines besonderes Engagement aber galt Performance und Tanz, einem Feld, in dem ich mich weder auskannte noch einen Zugang entwickeln konnte. Sie schaffte es jedoch fast regelmäßig, dass die auf dem Kulturforum für zwei Jahre gewählten und die von den Jugend- und Kulturbereichen des Bezirksamts entsandten Beiratsmitglieder in ausreichender Zahl für die Anträge in der Sparte Tanz votierten, um die im Rathaus Schöneberg stattfindende „Schöneberger Tanznacht“ organisieren zu können, wofür der Bezirk über seine Grenzen hinaus berühmt wurde.

Wenn sich wie so oft bei der Realisierung Widerstände zeigten, hat sie Im Gestrüpp von Verwaltung und Politik immer Wege gefunden, diese zu überwinden. Dasselbe gilt für die Zeit der Haushaltssperren, in denen Sie stets Mittel und Wege (er)fand, Kunst und Kultur in Tempelhof-Schöneberg zu realisieren.

Die Entwicklung im Kulturbeirat ging trotz Haushaltsperren und Corona auch im Kulturbeirat weiter, „alte Häsinnen“ schieden aus, junge Engagierte stellten Zeit und Arbeitskraft zur Verfügung, vielen wird der Name Christine Crecelius nicht mehr geläufig sein, wenn uns nun die Nachricht von ihrem Tode erreicht hat. Aber noch gibt es genügend Kulturschaffende, die ihrer in dankbarer Erinnerung gedenken können!

Dr. Gerhard Weil, ehemaliges Kulturbeiratsmitglied und Vorsitzender des Tempelhofer Kunst- und Kulturvereins TKK e.V.